Deutschland liegt bei den Sozialausgaben (bezogen auf das BIP) im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Im Jahr 2010 hat allein der Bund 179 Mrd. € Sozialausgaben geleistet; rd. das 20-fache dessen, was er im Jahr 1962 ausgegeben hat. Auffallend ist jedoch, dass es sich hierbei vor allem um „fürsorgende" - finanzielle Hilfen bei Arbeitslosigkeit, Bedürftigkeit und Armut - handelt. „Vorsorgende" Leistungen, Leistungen zur Vermeidung von Bedürftigkeit und Armut oder Leistungen die es den Betroffenen ermöglichen, der Armutssituation zu entkommen, liegen dagegen weit unter dem internationalen Durchschnitt. Dieses System basiert auf einem traditionellen Konsens in der deutschen Politik. Keine der bisherigen Regierungen hat ernsthaft eine Abkehr von dieser Schieflage in der Sozialpolitik in Angriff genommen. Trotz hoher Fürsorgeleistungen des Staates nimmt in Deutschland die Armut kontinuierlich zu. Besonders gravierend ist dies bei Familien mit Kindern festzustellen. Die staatlichen Leistungen sind so gestaltet, dass sie allenfalls ein Überleben in Armut für einen ständig größer werdenden Anteil der Bevölkerung sichern, nicht jedoch Hilfen leisten, um der Armutsfalle zu entkommen. Gleichzeitig nimmt der Anteil der reichsten Deutschen am Gesamtvermögen kontinuierlich und überproportional zu. Während im Jahr 2010 die Gehälter der deutschen Spitzenmanager um rd. 20 % gestiegen sind, wurden die Löhne der Arbeitnehmer im Durchschnitt um 2,7 % erhöht und die Kaufkraft der Renten ist gesunken: seit dem Jahr 2001 um 7 %. Es widerspricht den Grundsätzen unseres Sozialstaates und unserer christlichen Ethik, diesen Zustand untätig hinzunehmen. Es ist auch eine Frage des sozialen Friedens, die Schere zwischen Arm und Reich nicht ständig größer werden zu lassen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen aus Armut und fremdfinanzierter Existenzsicherung in ein durch eigene Leistungen gesichertes Einkommen gelangen. Das BfB vertritt die Forderung nach einer deutlichen Ausweitung vorsorgender staatlicher Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens, der Kinderbetreuung, der Kindergärten, der schulischen Ausbildung, der Fortbildung, und weiterer Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vorsorgende Maßnahmen liegen sowohl im Interesse des Einzelnen als auch der Gesellschaft. Sie senken mittelfristig die Ausgaben für staatliche Fürsorgeleistungen und erhöhen staatliche Einnahmen. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und eine auf eigenen Leistungen basierende Lebensführung zu ermöglichen, sind nicht nur Ziel sozialstaatlicher Maßnahmen sondern wertvolles Element der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Staatliche Vorsorge kann dort, wo Hilfebedürftigkeit eingetreten und mangels eigener Fähigkeiten nicht selbst überwunden werden kann durch staatliche Fürsorge ergänzt werden. Armut und Hilfebedürftigkeit sind keine Schande, sondern eine Herausforderung an die davon Betroffenen und an die Gesellschaft, durch eigenes Engagement und solidarische Hilfestellung ein selbstgestaltetes und durch eigene Leistungen finanziertes Leben zu erreichen. Staatliche Fürsorgeleistungen bei eingetretener Hilfebedürftigkeit korrespondieren mit der Verantwortung und Bereitschaft der Hilfeempfänger zur Mitwirkung, zur Qualifizierung und Annahme einer Erwerbstätigkeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Kann der erste und zweite Arbeitsmarkt keine Stellen anbieten, werden gemeinnützige Tätigkeiten angeboten. Es ist eine gemeinsame Verantwortung von Wirtschaft, Staat und Kommunen, allen arbeitsfähigen Bürgerinnen und Bürgern einen Arbeitsplatz zu bieten. Im Vordergrund steht nicht die Bezahlung für Arbeitslosigkeit sondern der Rechtsanspruch auf ausreichend bezahlte Arbeit. Die sozialstaatlichen Aufgaben lassen sich in die nachstehenden Aufgabenfelder unterteilen. Aber nur durch ein an klaren Zielen ausgerichtetes Zusammenwirken aller Maßnahmen kann das Ziel einer sozialen, solidarischen und zukunftsfähigen Gesellschaft erreicht werden. Es geht nicht vorrangig darum, mehr Geld auszugeben, sondern vorhandene Mittel so einzusetzen, dass damit die angestrebten Ziele bestmöglich erreicht werden.