Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik wird der Bezug von Transferleistungen generell an eine „Gegenleistung“ des Empfängers gekoppelt. Dieses Konzept nennt man Workfare (work + social welfare benefit = workfare).
Im Jahr 1997 führte der US-amerikanische Bundesstaat Wisconsin das Programm „Wisconsin Works“ ein. Prinzipiell haben Bedürftige keinen Anspruch auf Geldleistungen, sondern einen Anspruch auf Arbeit, die mindestens mit dem Mindestlohn vergütet wird. Weitere Leistungen sind Essensmarken, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, eine gesundheitliche Grundversorgung und Unterstützung für Fahrten zur Arbeitsstätte. Unterschieden werden vier Stufen von Hilfebedürftigkeit. Die Bedürftigen können im Zeitablauf auf der „Beschäftigungsleiter“ aufsteigen – und durch jedes Aufrücken wird der bundesweit auf fünf Jahre beschränkte Zeitraum des Hilfebezugs um zwei Jahre verlängert.
Am Beispiel von Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt wird Bürgerarbeit wie folgt definiert:
Statt Hartz-IV und Arbeitslosengeld gibts jetzt Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg, einem kleinen Städtchen in Sachsen Anhalt. Sie finanzieren jetzt Arbeit statt Arbeitslosigkeit. Bad Schmiedeberg hat 4211 Einwohner. Davon waren vor der Einführung der Bürgerarbeit 331 arbeitslos. Die Arbeitslosenquote lag bei 15,6 Prozent. Heute liegt sie bei 6,3 Prozent und sie soll auf Null Prozent sinken wenn die restlichen Arbeitslosen eine Bürgerarbeit bekommen. Das wäre dann die Vollbeschäftigung. Dann gibt es keine Arbeitslosen mehr in Bad Schmiedeberg.
Die Bürgerarbeiter erhalten für ihre Arbeit zwischen 625 und 1000 Euro. Sie machen die Arbeit, die sonst keiner macht oder die vorher nicht bezahlt werden konnte. Die Arbeitsagentur hat ein Auge darauf das den Handwerkern und Gewerbetreibenden nichts weggenommen wird.
Bis jetzt ist dieses Projekt auf ein Jahr befristet. Doch schon jetzt interessieren sich andere Städte und Landkreise für die Bürgerarbeit. Begleitet wird der Versuch von einem Wirtschaftsforschungsinstitut, welches das Projekt auch auswertet. Jetzt muss sich zeigen dass es genug Bürgerarbeit gibt. Dann könnte bald auch in anderen Städten die Vollbeschäftigung durch Bürgerarbeit eingeführt werden.
Eine Lohnerhöhung wird fällig, wenn Bürgerarbeiter im Zeitablauf auf der „Beschäftigungsleiter“ aufsteigen.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Arbeit finanziert werden muss und eben nicht das Verbleiben im sozialen Netz!
Bürgerarbeit ist m.E. für alle Kommunen eine Alternative um arbeitswillige Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Bürgerarbeit bedeutet auch, den Lebensunterhalt größtmöglich aus eigener Kraft zu meistern. Bürgerarbeit ist daher auch Hilfe zur Selbsthilfe.
In welchen Bereichen soll denn die Bürgerarbeit organisiert werden? Es gibt meiner Meinung nach keinen einzigen Bereich in den Kommunen,der nicht schon durch reguläre Arbeitskräfte abgedeckt ist. Die Zwangsarbeit, die ich machen mußte,die sog.MEA-Maßnahme hat der Neuland GmbH monatlich 400 Euro pro Zwangsarbeiter beschert,ingesamt pro Halbjahr bei 20 Menschen 48.000 Euro. Ich hatte im selben Zeitraum den stolzen Betrag von 720 Euro erhalten. Hätte ich seinerzeit auf 1EuroBasis als Staatlich anerkannter Erzieher in einer Kita außerhalb von Plön arbeiten müssen, wäre vermutlich nicht viel dieses enormen Einkommens übrig geblieben,denn die Fahrtkosten werden nicht ersetzt.(Diese sog. Arbeitsgelegenheit wurde mir angedroht) . Das ist der einzige Unterschied zum "Reichsarbeitsdienst".
So wie die Bürgerarbeit hier geschildert wird, ist sie mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Was bedeutet es, wenn gefordert wird, dass anstatt von Hartz IV und Arbeitslosengeld 2 nur Leistungen erbracht werden, wenn die Betroffenen Arbeiten im Rahmen einer Bürgerarbeit ausüben? Bedeutet es, Arbeitslosengeld 1 und 2 werden abgeschafft? Was passiert mit Betroffenen, die zum Teil Jahrzehnte lang in die Sozialkassen einbezahlt haben? Bekommt man seine Beiträge wieder zurück? Aber erstmal zu unseren demokratischen Grundsätzen, dessen Rahmen durch das Grundgesetz bestimmt wird. Jeder Mensch in unserem Gemeinwesen hat das Recht auf ein existenzsicherndes und menschenwürdiges Existenzminimum und auch die Teilhabe am soziokulturellen Leben ist sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat meinem seinem Urteil zu den Regelsätzen (1 BvL 1/09 vom 09.02.10) folgende Leitsätze zum Sozialstaatsprinzip aufgestellt:
1.Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
2.Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
3.Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
4.Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.
Diese Leitsätze aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts besagen ganz eindeutig, dass jeder Mensch einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen hat, bedingt aber nicht, dass Betroffene zu einer Gegenleistung in Form von Bürgerarbeit verpflichtet sind. Damit ist der Einleitungssatz "Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik wird der Bezug von Transferleistungen generell an eine „Gegenleistung“ des Empfängers gekoppelt." nicht mit unserem Grundgesetz in Einklang zu bringen.
Weiterhin reicht es nicht aus, wenn man einen Bericht über Bad Schmiedeberg aus dem internet herauskopiert und diesen als Grundlage zu dem Thema "Bürgerarbeit" nimmt (http://hartz-iv-blog.de/2007/01/01/mit-b...beschaeftigung/). Wenn man sich den Modellversuch genauer betrachtet, muss man damit auch kritisch auseinandersetzen. Hierzu aus einem Bericht der ifo-Dresden zur Bürgerarbeit: "Durch die Einführung der Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg sank die offizielle Arbeitslosenquote der Stadt von 15,6 % im September 2006 auf 6,3% im Dezember 2006. Wie ist das gelungen? Zunächst führten die Vertreter der AGENTUR FÜR ARBEIT und der ARGE Wittenberg intensive Vorgespräche mit den 331 Arbeitslosen des Ortes. Je nach Situation der einzelnen Person, wurde den Bewerbern eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt, eine Weiterbildung oder eine Stelle bei der Bürgerarbeit angeboten. Wer Bürgerarbeit leistet, erhält eine unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (ohne Arbeitslosenversicherung), die ihm für eine 30-Stundenwoche einen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 800 bis 820€ zusichert. Die Bürgerarbeit gibt es ausschließlich im Non-Profit-Bereich und zielt darauf ab, regulären Tätigkeiten im Arbeitsmarkt keine Konkurrenz zu machen. Bis Dezember 2006 kamen 82 Personen in Bürgerarbeit [BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (2006)]. Zur Verringerung der statistischen Arbeitslosigkeit trugen aber auch die rund 120 Arbeitslosen bei, die in Um- und Fortbildungsmaßnahmen gingen oder sich nach dem ersten Gespräch beim Arbeitsamt abmeldeten." (http://www.wiwiss.fu-berlin.de/institute...7-38_Schoeb.pdf).
Die tolle Zahl der Senkung der Arbeitslosen erklärt sich demnach von selbst, ist aber nicht unbedingt auf die Bürgerarbeit zurückzuführen. Also bei 82 Personen in Bürgerarbeit ist es ein überschaubarer Bereich. Wenn aber, wie im Kreis Schleswig-Flensburg, für ca. 8000 bis 9000 Personen ein Bürgerarbeit organisiert werden soll, ist es schon nicht mehr so einfach machbar, ganz abgesehen von der Finanzierbarkeit. Ich könnte jetzt noch mehr Punkte aufführen, die diese Form der Bürgerarbeit sehr kritisch betrachtet und die negativen Folgen aufzeigt, dies erspare ich mir an dieser Stelle.
Ich kann mir schon eine Bürgerarbeit vorstellen, die für Personen mit erheblichen Vermittlungshemmnissen gedacht ist. Diese ist aber an sehr eng gebundene Bedingungen geknüpft. Der wichtigste ist, dass diese Arbeiten nur auf freiwilliger Basis ausgeführt werden. Sie müssen eine existenzsichernde Entlohnung gewährleisten, damit ein Missbrauch ausgeschlossen wird. Weiterhin dürfen keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden. Hierbei hätte man die Bürgerarbeit auf einen überschaubaren Bereich eingegrenzt, der durchaus mit den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen realisierbar wäre.